Beizjagd auf Nilgänse - Teil 2: Falkenjagd

04. Dezember 2022

Aufgrund ihrer rasanten Verbreitung in unseren Revieren erscheinen Nilgänse vielen Falknern als interessantes Beizwild.

 

Nachdem ich vor einiger Zeit bereits einmal einen Bericht über die Jagd auf Nilgänse mit meinen beiden Harris-Hawk „El Cid“ und „Kira“ geschrieben hatte, möchte ich diesen nun fortsetzen und ein paar meiner Erlebnisse rund und bei der Beizjagd auf Nilgänse mit meiner „Runa“ berichten. Auch dieser Bericht enthält wieder einige Kapitel aus dem fiktiven, inzwischen mehrbändigen Werk „Pleiten, Pech und Pannen bei der Beizjagd“. 

Über meinen Ger-Lanner-Falken „Runa":

Nachdem ich mein Wanderfalken-Weib „Rani“ bei der Krähenjagd an einen Mäusebussard verloren hatte, sah ich mich seinerzeit ob der überaus zahlreichen Mäusebussarde in unserer Gegend vor die Wahl gestellt, entweder bei meinen Kurzschwingen und deren kurzen Jagddistanzen zu bleiben oder aber einen Falken aufzustellen, der einem Bussard vielleicht doch eher etwas entgegenzusetzen haben würde. Jedenfalls entschloss ich mich damals – das ist nunmehr gute 5 Jahre her – einen Ger-Lanner-Falken aufzustellen. Damals wählte ich einen ¾ Ger-Lanner. Ausschlaggebend war, dass ich mir von dem höheren Lanner-Anteil eine geringere Anfälligkeit für Aspergillose versprach.

 

Und dann zog irgendwann „Runa“ bei mir ein, ein stattliches Falken-Weib mit einem Kammergewicht von weit über 1300 g - und einem sehr starken und kräftigen Schnabel, der mir sofort aufgefallen war, als ich mir verschiedene Jungfalken bei dem Züchter anschauen durfte.

Runa war seinerzeit schon gut an die Haube gewöhnt und hatte ein recht umgängliches Wesen. Damals hatte ich vor, mit diesem Falken ausschließlich auf Krähen zu jagen. Entsprechend nutzte ich all die Tipps, die mir der Züchter hierfür gegeben hatte. Allerdings wohl doch nicht wirklich gut, denn bereits der erste wirkliche Jagdflug ging gründlich in die Hose ….

 

Weil im Westerwald weite, offene Flächen mit einzelnen Bäumen nicht ganz so häufig anzutreffen sind und ich meinem jungen Vogel eine gute Chance bieten wollte, fuhr ich zu meinen Freunden Moni und Frank. In den von ihnen bejagbaren Revieren fanden sich schließlich genau solche offenen Flächen  !

 

Wir fuhren herum - und dann sahen wir sie, die Mutter aller Chancen !

 

Eine kleine Gruppe von Krähen. Offene Fläche. Nicht weit entfernt einzelne Bäume. Alles schien perfekt. Eigentlich …..

 

Das einzige, was nicht perfekt war, war ganz offensichtlich meine Runa. 

 

Nachdem wir ein Stück zurückgefahren waren, um den Vogel jagdfertig zu machen, fuhren wir los. In Höhe der Krähen hielten wir an – sie waren weit genug weg, standen nicht auf. Falke raus, Runa flog los….

 

Und dann passierte das, was der ein oder andere Falkner vielleicht auch kennt.

 

Beutetiere erkennen schon nach wenigen Metern Flug des Beizvogels, ob ne Lusche kommt. Oder aber der Tod ….

 

Und Runa war ganz offensichtlich in den Augen dieser Gruppe von Krähen eine Lusche. Ja, sie flogen tatsächlich auf, als der Falke angeflogen kam. So hoch und schnell wie man als Krähe halt fliegen kann, wenn man sich vor Lachen die Schenkel klopft !

 

Ich will es kurz machen. Der Falke war noch nicht richtig dort, da wurde der Jäger zum Gejagten. Runa flog hoch. Die Krähen folgten ihr und attackierten sie hart. Dann kam noch ein Milan dazu, der sich die Chance auf ein handfestes Falken-Mobbing ganz offensichtlich nicht entgehen lassen wollte. Runa versuchte den Angriffen zu entkommen. Zwischenzeitlich schrie sie in der Luft! Und irgendwann haben wir sie aus den Augen verloren. Shit !

 

O.k., wir hatten ja nen GPS-Sender dran. Pech nur, dass wir keinen Empfang hatten. Keine Ahnung warum nicht.

 

Aber kein Problem, Marshall-GPS hat ja noch nen Peilsender. Und so fuhren wir, immer wieder kreuz-peilend, durch die Gegend. Das kann doch nicht sein, dass der Vogel immer wieder hin und her fliegt. Als wir wieder einmal stehen blieben, um zu peilen, fiel es uns plötzlich wie Schuppen von den Augen: Wir hatten die ganze Zeit den Telemetrie-Sender von meinem Harris geortet, der in der Box saß ! Nein, wie peinlich war das denn…

 

Aber wir hatten Glück. Irgendwann hatten wir ganz kurzen GPS-Empfang und konnten Runa im Nachbarort lokalisieren. Dort konnte ich sie dann ohne Probleme mit dem Federspiel von einem Hausdach einholen. Ich glaube, wir waren beide froh, als Runa – augenscheinlich doch unverletzt – in der Transportbox saß …..

 

Bis heute bin ich mir nicht 100% sicher, woran es damals gelegen hat. Wie hatte der Züchter mir damals gesagt: Bei Gerfalken ist es das Wichtigste, sie im ersten Jahr ohne schlechte Erlebnisse zu fliegen. Das war gründlich in die Hose gegangen. Wahrscheinlich hatte ich sie doch mit zu hohem Gewicht ins Feld geschickt – gerade bei jungen Hiero-Falken ein fataler Fehler.

 

Und es kam, wie es kommen musste: Runa zeigte keinerlei Interesse mehr an Krähen, geschweige denn irgendeinem anderen Beizwild. 

 

Schade, aber Hiero-Falken vergessen nichts – und schlechte Erfahrungen schon mal gar nicht.

 

Deshalb flog ich Runa in den kommenden Jahren ausschließlich auf Federspiel und Drohne. Gerade bei starkem Wind, ja fast schon Sturm, macht es einen riesigen Spaß, mit einem Ger-Falken zu fliegen. 

 

Das Fliegen eines solchen edlen Vogels macht ja grundsätzlich an sich schon viel Spaß – aber Jagd  ist das natürlich nicht.


Neuer Anlauf – Die Jagd auf Nilgänse

Zu Beginn der letzten Beizsaison packte mich dann aber doch ein wenig der Ehrgeiz. Ist Runa wirklich für die Beizjagd verloren? Wegen dieser einen schlechten Erfahrung?

Gut, die Westerwälder Reviere, in denen ich jagen darf, sind für die Krähenjagd mit einen solchen schweren Vogel selten geeignet. Die Startgeschwindigkeit ist einfach zu langsam und der Luftraum fehlt, in dem der Vogel seine gewaltige Flugkraft wirklich ausleben könnte. Also, was böte sich dann mehr an, als die Jagd auf Nilgänse ……

 

Zur Einstimmung schreibe ich nochmals meinen Eindruck von Nilgänsen, wie ich ihn schon im ersten Teil meines Berichtes über die Beizjagd auf Nilgänse geschrieben hatte, auch wenn sich diese Einschätzung und Beschreibung zunächst auf die Beizjagd mit Habicht oder Harris bezog:

 

Im Gegensatz zu anderen Gegenden, in denen Nilgänse ja gruppen- und herdenweise auftreten, tummeln sich bei uns oft nur einzelne Familien, in der Regel sind es sogar oft nur Paare. Während ich in meinem ersten Bericht noch geschrieben hatte, dass ich nach meinen Erfahrungen mit diesem Beutewild meine Vögel wohl auch nicht auf eine größere Gruppe von Nilgänsen fliegen würde, muss ich dies nach einigen Jahren intensiver und erfolgreicher Bejagung revidieren: Viel gefährlicher für den Beizvogel sind Familienverbände! Die Altvögel greifen den Beizvogel sofort und sehr energisch an, wenn sie Jungtiere führen - auch wenn diese schon längst flügge sind und mit den Altvögeln umherstreichen. Selbst meine erfahrende Kira musste schon vor solchen Altvögeln ihr Heil in der Flucht suchen!

 

Über eines muss sich jeder Falkner auf jeden Fall im Klaren sein: Nilgänse sind keine einfachen Beutetiere und dazu auch noch recht aggressiv und wehrhaft. Aus diesem Grunde habe ich schon von einigen Falken, Habichten und Harris gehört, die Nilgänse gefangen haben - aber oft nur ein einziges Mal, und dann nie wieder …

 

Bei diesen scheinbar vor Selbstbewusstsein strotzenden Vögeln verhält es sich zumeist so, dass sie zunächst den Menschen nicht als Gefahr sehen und eine relativ geringe Fluchtdistanz haben. Das ist bei der Jagd aus dem Auto heraus nicht ganz so bedeutsam. Hin und wieder könnte man aber versucht sein, Nilgänse auch zu Fuß anzugehen. Dies hat allerdings den Nachteil, dass sich die Aufmerksamkeit der Gänse auf den Falkner und damit auch auf den Vogel auf dessen Arm konzentriert. Startet der Vogel von der Faust, fliegen die Gänse dann gleichzeitig los – und man glaubt gar nicht, wie schnell diese dann in der Luft und schnell für die meisten Kurzstreckenjäger nicht mehr erreichbar sind …

 

Fliegt man den Vogel aus dem Auto und fährt noch ein kleines Stück weiter, scheint sich die Aufmerksamkeit der Gänse auf das Auto zu konzentrieren - wenn sie überhaupt argwöhnisch geworden sind. Den heranfliegenden Harris beispielsweise nehmen sie dann entweder viel zu spät wahr oder aber nehmen ihn erst gar nicht ernst – zumeist eine fatale Fehleinschätzung!

 

Nilgänse stellen sich einer Bedrohung durch den Beizvogel  aber sofort mit hoch erhobenen Hälsen und gespreizten Schwingen! Und, hat etwa der Beizvogel eine von beiden gepackt, gibt es nicht nur mit dieser Gans einen heftigen Kampf! Die andere Gans greift ihn in der Regel sofort mit Schnabel-  und Schwingenschlägen an!

 

Aus diesem Grunde ist es elementar wichtig, dem Beizvogel sofort zu Hilfe zu kommen. Bereits während des Laufens rufe und schreie ich laut und man sieht deutlich, wie die zweite Gans dann hin und her gerissen ist zwischen der Angst vor der herannahenden weiteren Bedrohung und dem Beschützerinstinkt hinsichtlich des Partners oder des geführten Jungvogels. In der Regel streicht die zweite Gans dann entweder ab und umrundet das Geschehen schreiend oder setzt sich in geringer Entfernung auf die Wiese/den Acker – wohl, um ggf. doch noch irgendwie helfen zu können.

 

Diese Hilfe für den Beizvogel ist auch deshalb nötig, da sich die angegriffene Gans zumeist sich mit Treten und Flügelschlägen, aber auch mit Schnabelhieben und Bissen zu verteidigen sucht. 

 

Mit einem Kopfgriff zieht etwa der Harris die Gans so weit zu Boden, dass sie natürlich nicht mehr mit dem Schnabel schlagen oder beißen kann, der Beizvogel aber vor allem außer Reichweite des lebensgefährlichen Schwingenbugs oder der nicht minder gefährlichen Füße mit ihren scharfen Krallen bleibt.

 

Aus diesem Grunde überlege ich mir auch sehr genau, wie weit die Nilgänse von der Straße weg sitzen und wie lange es folglich dauert, bis ich meinem Vogel helfen kann - bevor ich den Vogel fliegen lasse.

 

Nilgänse sitzen auch häufig nicht auf schönen, ebenen und tritt festen Wiesen, sondern auf matschigen Äckern, in denen man knöcheltief versinkt, wenn man seinem Beizvogel zu Hilfe eilen will. 50 Meter werden da schnell zu gefühlten 500 Metern!

Soweit so gut. Diese Beschreibung zielte zunächst auf die Bejagung von Nilgänsen mit Harris und Habicht ab. Mit dem Charakter von Nilgänsen sieht sich aber auch der Falke konfrontiert – meiner Erfahrung nach, mehr als jeder andere Beizvogel!

 

Und so begann ich, Runa zu trainieren. 

 

Beim Falken liegen Selbstbewusstsein und Flugvermögen nahe beieinander. Daher stand intensives Flugtraining mit dem Federspiel und der Drohne (Phantom 2) an der Tagesordnung. Schließlich war Runa wirklich gut beflogen, strotzte vor Selbstbewusstsein. Und als ihr dann plötzlich anstatt des Federspiels eine (tote) Nilgans in die Luft warf: kurzer Schreckmoment, dann aber schlug sie die Gans noch in der Luft ! Der volle Kropf hatte bei ihr offensichtlich die Begeisterung und eine Art „Yes, I can“ geweckt. Jedenfalls zögerte sie in Zukunft nicht mehr und band jede so präsentierte Nilgans in der Luft. Und irgendwann war Runa dann bereit für den ersten wirklichen Jagdflug auf Gänse…

 

Allerdings zeigte sich, dass das Gewichtsmanagement noch nicht optimal war. Man sah förmlich, wie sie bei den ersten Flügen nur spielte. Hinterherfliegen ja, das war`s dann aber – Konditionstraining für Gänse …

 

Sollte das alles sein ? War Runa doch `ne Lusche? 

 

Ach ja, und dann waren da noch die kleinen Pannen *stöhn*…

 

Ein schöner Samstag im Februar. Ein Jagdrevier mit Gänsen satt, weswegen ich dort auch eine ganzjährige Jagderlaubnis habe.  Runa fliegt los. Freie Auswahl von Nilgänsen (fast) aller Altersstufen. Und wie sie fliegt. Nur leider jagt sie nicht. Gänsetraining. Am Rhein entlang, 3 Kilometer Trainingsstrecke. Aber irgendwann kommt sie zurück. Ich will sie mit dem Federspiel einholen. Runa hat aber lecker Gänschen ein Stück weiter gesehen, fliegt an mir vorbei. O.k. 600 m rennen? Besser nicht. Also ins Auto, wenden. 

 

Und sonst wende ich immer, indem ich mit dem Heck auf die Wiese fahre und, da Vorderradantrieb, mit den Vorderrädern auf dem Asphalt bleibe. Eigentlich immer! Nur heute nicht. Und was passiert? Ich fahre mich fest – während der Falke vermutlich mit einer Gans kämpft! Ich hätte heulen können. Ein junger Mann, der mit dem Hund vorbei kam, versuchte mich noch herauszuschieben. Leider nichts. Man sollte nicht glauben, wie weit unter die Reifen gelegte Schuhmatten fliegen können ….

 

Dann habe ich den jungen Mann stehen gelassen. Ich rannte los, um meinem Vogel zu helfen. Und die Strecke zog sich, ich pumpte wie ein Maikäfer, die Zunge schleifte bereits am Boden !

 

Als ich ankam, saß ein etwas deprimierter Vogel auf dem Acker. An den Händen Federn – aber die Gans war weg.

 

Nächster Anlauf, es kann nur besser werden!

 

Anderer Tag, die selbe Gänseherde, die selbe Location – aber es kam noch schlimmer. Zumindest, was den Stresspegel für mich betrifft.

 

Runa fliegt los, es sieht nach Gänse-Training aus. Schließlich ist es kaum zu übersehen, wenn der Falke vom Flug-Modus in den Kampf-Modus schaltet und auf Warp-Geschwindigkeit geht. Und sie flog den Gänsen hinterher, leichte Schein-Angriffe. Und sie flogen so mal ganz locker über den Rhein. Shit. 

 

Dank Marshall-GPS sehe ich genau, wo sie sitzt. Ich renne zum Ufer – wir sind auf einer Rhein-Insel! Ich wedle mit dem Federspiel, rufe, trommle pfeife, nix. Sie fliegt weiter, schön am anderen Rhein-Ufer entlang. O.k., das wird nix. Also von der Insel runter, bis zur Autobahn fahren, Autobahnbrücke. Die Bundesstraße nehmen, kilometerlange Fahrt, immer den Blick auf die Karte. Und dann sehe ich: Akkuleistung nur noch 25 %! Nicht schlimm, denke ich. Bin ja ein schlaues Kerlchen, ein echter Pfiffikus! Natürlich habe ich ja `ne Power-Bank dabei. Ja, hatte ich. Aber nur das Ladekabel für mein Android-Handy, nicht für das IPhone mir der Marshall-App. Ich stehe kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Meine Gedanken kreisen zwischen spontanem Selbstmord oder Tränenausbruch. Aber ich war gerade an einem Media-Markt vorbeigefahren…

 

Also wenden, dort einem mäßig motivierten Verkäufer erklären, warum man so ein kleines verf…. Ladekabel nicht selbst unter den tausend anderen Modell suchen kann. „Falke in der Luft“, „Gänsejagd“ – ich hätte auch von rosa Elefanten erzählen können. Dieser mitleidige Blick. Ich hasse diesen Menschen noch heute!

 

Dankbar nehme ich das farbenfrohe Teenie-Ladekabel für schlappe 17,99 Euro.

 

Zwischenzeitlich war Runa weitergeflogen, am Rhein-Ufer entlang. Unglücklicherweise kommt man da mit dem Auto kaum hin. Zwischenzeitlich fahren wir durch kleine, winklige Rhein-Dörfer. Schließlich scheint sie irgendwo auf einem Hausdach zu sitzen. Also raus aus dem Auto, Federspiel rausholen. Das hängt aber an einer 2,5m-Angel. Als ich da so über den Bürgersteig schlurfe, das Federspiel nebst daran befestigtem, gelben, schön leuchtendem und für jeden meiner lieben Mitbürger gut sichtbaren Hühnerküken schwingen und ziehen und dabei laut pfeifen – ja da rechnet man tatsächlich mit dem baldigen Eintreffen der psychiatrischen Notfall-Ambulanz der nahegelegenen psychiatrischen Landesklinik, möglichweise auch mit dem baldigen Zugriff eines Sonder-Einsatzkommandos. Und Runa? Die Karawane zieht weiter …

 

Aber wenigstens Happy-End. Irgendwann sehe ich sie im nächsten Dorf auf einem Hausdach sitzen. Ich steige aus. Kaum hatte ich die Angel mit Federspiel aus dem Auto heraus, war sie schon da. Ach, was für eine Erleichterung, Glücksgefühl pur!

 

Aber zum Glück waren das nicht die einzigen Jagdflüge meiner Runa. Wahrscheinlich hätte ich die Falknerei aufgegeben und stattdessen Bierdeckel gesammelt. 


Nein, wir hatten schöne Jagdflüge, stets recht weit. Runa hat eine ganze Reihe von Nilgänsen geschlagen. Dabei hatte ich übrigens festgestellt, dass sie als Jagdstrategie immer den Verfolgungsflug gewählt und die Beute in der Luft gegriffen hat und dann mit dieser zu Boden ging. Das anschließende Abnicken einer Gans ist dann aber auch eine echte Herausforderung, selbst für einen so kräftigen Vogel. 

 

Das ist allerdings auch leider die gefährlichste Art des Beuteschlagens. Ungefährlicher scheint mir die Jagdtechnik, bei der der Beizvogel im hohen oder höheren Luftraum herabstößt und die Beute anschlägt, die dann mehr oder weniger schnell zu Boden geht, oftmals schon tot ist.

 

Diese Jagdtechnik ging auch einige Zeit gut, Runa hat doch so einige Nilgänse geschlagen. Es ging gut – bis zu diesem einen Tag ….

 

Sonntagmorgen. Ein perfekter Beiztag. Wetter o.k., kaum Leute unterwegs. Wir fahren wieder über besagte Rheininsel…

 

Und wieder sitzt da `ne ganze Herde Nilgänse. Ich lasse das Auto stehen, gehe die Gänse, verdeckt durch hohe Brombeer-Verschläge, zu Fuß an. Runa fliegt los. Es dauert immer einen Moment, bis so ein großer Falke Luft unter die Schwingen bekommt. Mein kleiner Albatross …

 

Die Gänse stehen erst, warten eine Sekunde. Dan realisieren sie – doch keine Lusche! Und Runa schaltet auf Warp-Antrieb, Kampfmodus! Und die Gänse fliegen erst einmal über die Insel, hart verfolgt. Aber dann suchen sie ihr Heil in der (weiten) Flucht. Shit, schon wieder über den Rhein! Ich verfolge den Monitor, sie fliegt mit großer Geschwindigkeit. Einige Bögen. Dann Ruhe. Der Vogel steht auf einer Grünfläche – auf der anderen Rheinseite. 

 

Ab ins Auto. Von der Insel runter. Richtung Autobahn. Wieder über die Autobahnbrücke. Dann  Bundesstraße. Abfahrt Richtung Rhein-Dörfer. An Media-Markt vorbei (*smile*). Und endlich kamen wir zu unsrem Vogel. 10 Minuten Fahrzeit können eine Ewigkeit sein!

 

Sie saß auf einem Acker mit aufgehendem Raps. Hatte eine Nilgans, die sie eisern festhielt. Nur mit dem Abnicken hatte es noch nicht geklappt. 

 

Als ich zunächst hinzukam dachte ich noch: prima, alles geklappt. Gans tot. Wenigstens schien das ob des eingeschweißten Vogels naheliegend …

 

Bis ich feststellte, dass Runa die Gans nur mit nem guten Kopfgriff festhielt. Der Schweiß war nicht von der Gans, sondern von Runa! Als wir ankamen, hatten wir noch 3, 4 andere Gänse gesehen, die bei unserem Eintreffen wegflogen und nun in der Nähe standen. Natürlich hatte ich nicht abgewartet, um zu sehen, welche Rolle diese Zaungäste hatten. Dann wusste ich es: sie hatten Runa angegriffen, übel zugerichtet. Bislang wusste ich nur von der Gefahr, die von Schwingen und Füßen der Gänse ausgehen, heute musste Runa erfahren, dass Gänse auch garstig beißen können. Eine Schwinge war übel zugerichtet. Offene Wunde bis auf den Knochen, verletzte Flughaut. Ich hätte heulen können. Aber sie hielt die geschlagene Gans immer noch eisern. Nach dem Abfangen durfte sie erst mal von der Gans atzen. Wahrscheinlich keine gute Idee, da sie ja möglicherweise operiert werden müssen. Aber ihr die Gans wegnehmen, um die sie unter dem Einsatz ihres Lebens gekämpft hatte – irgendwie konnte ich das nicht ….

 

Sonntagmorgen. Tierarzt? Schwierig. Gießen? Eine Option. Wir wählten eine andere und riefen eine befreundete Falknerin an, die praktizierende Tierärztin ist. Wir hatten Glück. Sie war gerade am Wegfahren. Als wir ankamen: Wundreinigung, antibiotische Abdeckung – einige Folgetermine.

 

Runa scheint es gut zu gehen. Die schweren Bisswunden sind offensichtlich gut verheilt.

 

 

Aber welche Lehren ziehe ich aus diesem Erlebnis ?

Fazit

Nicht zuletzt wegen der massiven Einbrüche bei anderem Beizwild erscheint die Nilgans für viele Falkner als gute Alternative, auch für die Jagd mit Falken. Nicht jeder ist sich darüber im Klaren, dass es sich bei Nilgänsen um ein äußerst wehrhaftes, sehr aggressives Beutewild handelt, das sich nicht scheut, einen Beizvogel kompromisslos anzugreifen, gerade wenn noch geführte Junggänse angegriffen werden.

 

Diesem Verhalten dieses Beutewildes kann man bei der Jagd mit Habicht und Harris bis zu einem gewissen Maße Rechnung tragen, indem man den Vogel nur auf relativ kurze, lauftechnisch vom Falkner zu bewältigende Entfernung fliegen lässt. Bei der Jagd mit dem Falken nur schwer. Bei uns kommen Nilgänse gerade auch im Bereich von nicht ganz so leicht zugängliche Seen vor. Wie will ich meinem Beizvogel helfen, der nach einigen Kilometern Jagdflug eine Gans geschlagen hat? Ich habe gelernt, dass schon 10 Minuten über Leben und Tod meines Falken entscheiden können. Die Reviere, in denen ich auf Gänse jagen darf, liegen fast alle im Bereich einer Seenlandschaft mit ausgedehnten Schilfgürteln, in die sich die Gänse teilweise einfach fallen lassen. Oder am Rhein. Wie will ich da meinem Beizvogel helfen?

 

Ich habe festgestellt, dass sich meine vielen Reviere, in denen ich jagen darf, kaum für die Falkenjagd auf Gänse einigen. Nach diesem Erlebnis habe jedenfalls ich für mich beschlossen, mit Runa keine Gänse mehr zu jagen.

 

Orlik Frank