Turmfalkenpfleglinge / Rotmilan

18. August 2020

Jedes Jahr nehme ich zwischen 50-60 Pfleglinge von Greifvögeln und Eulen in meiner vom Regierungspräsidium Gießen staatlich anerkannten Auffang- und Pflegestation auf. Hauptsächlich verunfallte, kranke oder aus dem Horst gefallene Jungvögel. Ein Großteil davon sind Turmfalken-Jungvögel, die hauptsächlich im Juni zu mir gebracht werden. Dieses Jahr waren es besonders viele, 21 Turmfalken-Jungvögel.

 

Diese werden, wenn noch klein bzw. sehr jung, anfangs mit der Hand oder in einem eigens dafür geschaffenen Horst am Dachgiebel gesetzt und dort mit Futter versorgt. Je nach Alter habe ich für diese auch eine eigene Voliere reserviert, wo sie wenige Tage bis einige Wochen eingewöhnt werden. Danach werden sie in den sogenannten „Wildflug“ gestellt, hierzu bleibt die Volierentür offen und die Falken können rein und raus fliegen, wann immer sie wollen. Da sie ja keine Eltern haben, die sie versorgen, werden sie durch mich oder Tina mit „Atzung“ versorgt. Das „Jagen“ ist angeboren, funktioniert natürlich in den ersten Wochen noch nicht richtig, so dass sie bei Bedarf immer wieder zu unserem Haus zurückkommen und sich dort mit der durch Tina oder mir bereit gelegten Atzung versorgen. Nach und nach, je nach Jagderfolg, bleiben sie immer länger weg bis sie schließlich gar nicht mehr kommen.

 

Vor der Freilassung wird jeder Pflegling von mir mit einem „Telefonring“ gekennzeichnet, so dass es auch mal hin und wieder einige interessante Rückmeldungen über ihren Verbleib gibt. So wurde mir dieses Jahr ein von mir vor drei Jahren frei gelassener weiblicher Jungturmfalke gemeldet, der in Thüringen in einer Kirche in einem Horstkasten auf Jungvögeln gebrütet hat. Auch Totfunde wurden mir teils nach mehreren Jahren zurückgemeldet und ich habe auch den ein- oder anderen Turmfalken aus der Reinigungsklappe von Schornsteinen heraus geholt, wohin er durch Unaufmerksamkeit gefallen war. Manchmal schon tot, zum Glück aber meistens lebend. Dies ist ein häufiges Phänomen was ich auch schon mit Stein- und Waldkäuzen erlebt habe.

 

Für Tina und mich ist es eine große Freude, diese Jungfalken rings um unser Haus immer besser fliegen zu sehen oder wie sie auf den Nachbardächern warten, bis wir für sie die Atzung morgens und abends herauslegen. Dies alles „live“ miterleben zu können, entschädigt uns für die ganze Mühe, die man doch mit so einer Aufzucht hat.

 

Es gibt aber immer öfter auch absichtliche Verfolgungen von Greifvögeln, die häufig mit geplanten Windkrafträdern, wie in meinem Fall, zusammenhängen. Gerade bei Rotmilanen werden Horste absichtlich zerstört, Horstbäume gefällt oder Luftballons an diese gebunden oder die Rotmilane gezielt vergiftet (eine Rotmilanbrut/Horst im Abstand von 1 Km Umkreis zu geplanten Windrädern ist ein (noch) gesetzlicher Verhinderungsgrund für diese).

 

So hatte ich einen diesjährigen, ausgewachsenen weiblichen Rotmilan Ende Juli zur Pflege. Er wurde mit gut sichtbaren, 5-6 verteilten ausgelegten Mäusen mitten auf einem  Wiesenweg  in der Nähe seines Horstes am Waldrand vergiftet aufgefunden. Man informierte mich und ich konnte ihn einfach aufheben, denn er konnte sich nur ganz langsam und total entkräftet auf dem Boden fortbewegen. Der Milan zeigte eindeutige Vergiftungssymptome, Hängenlassen des Kopfes und Umkippen auf die Seite, äußerlich sonst keine Verletzungen und ist auch „gut im Futter“, also nicht abgemagert. 

Als Sofortmaßnahme habe ich den Kropf ausmassiert und das restliche Fleisch aus diesem dadurch entfernt, damit das Gift nicht noch weiter in seinen Blutkreislauf kommt. Nach drei Tagen stand er bei mir schon wieder frei in der Voliere (vorher nur auf dem Boden gelegen) und es ging ihm eindeutig besser.

 

Absichtliche Vergiftung durch die Mäuse liegt nahe, auf dem Foto sieht man auch, dass der Rotmilan dort an den Mäusen gefressen hat, auch eine kleine Feder von ihm hatte direkt am Auffindeort bei den Mäusen gelegen. Wer sollte sonst 5-6 Mäuse direkt neben einander, so gut sichtbar auf einem Wiesenweg, ca. 20 m vom Waldrand entfernt in der Nähe seines Horstes auslegen? Die Mäuse stammten so nicht von dem Rotmilan, auch das ist eindeutig!

 

Berthold Geis

1. Vorsitzender ODF Hessen